Phänologie – Was ist Phänologie?

In der Phänologie werden jährlich wiederkehrende Erscheinungen in der Pflanzen- und Tierwelt beobachtet, wie beispielsweise das Blühen von Pflanzen oder das Brüten von Vögeln. Der Zeitpunkt, an dem diese Phasen eintreten, wird als Datum oder Tag seit Jahresbeginn notiert. Diese Daten erlauben dann eine Charakterisierung der Pflanzenentwicklung eines Jahres, eine räumliche Analyse auf unterschiedlichen Skalen sowie die Untersuchung zeitlicher Verschiebungen anhand langjähriger Reihen.

Integrierende Messinstrumente

Analysiert man phänologische Daten im Zusammenhang mit Klima- und Umweltfaktoren zeigt sich, dass Pflanzen “integrierende Messinstrumente” für die gesamte Witterung sind. Neben der Witterung in der aktuellen und vergangenen Vegetationsperiode sowie in der Ruhephase können daneben aber auch Boden, Konkurrenz, Erbmasse, Schadstoffe oder Schädlinge die Pflanzen beeinflussen. Frühjahrs- und Sommerphasen in den mittleren und hohen Breiten sind aber überwiegend von der Lufttemperatur des vorangehenden Winters und Frühjahrs gesteuert.

Die längste Beobachtungsreihe

Das älteste, phänologische Beobachtungsmaterial liegt in den Archiven des Kaiserlichen Hofes in Japan. Es reicht bis zum Jahr 705 zurück und enthält die jährlichen Eintrittsdaten der Kirschblüte in Kioto. Sie galt in Japan von je her als Symbol des im Frühling wieder erwachenden Lebens und hatte als solche große Bedeutung für die ganze Nation. Die Kurve des 50jährigen gleitenden Mittels zeigt, dass eine Häufung von frühen Beobachtungen wie in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts in den letzten 1300 Jahren nicht vorgekommen ist.

Klimaänderung

Phänologie als Bio-Indikator

Der Eintritt von phänologischen Phasen ist wohl der geradlinigste Prozess, um die Folgen der Klimaerwärmung aufzuspüren. Andere Veränderungen, die die Artenareale, die Größe von Populationen und die Zusammensetzung von Ökosystemen betreffen, werden viel schwerer zu entdecken sein. So ist die Phänologie ein idealer Bio-Indikator für allmähliche Änderungen des Klimas, da er leicht verständlich ist, auch die Untersuchung von kleinräumigen Veränderungen erlaubt und positive wie negative ökologische Auswirkungen des Klimawandels aufzeigt.

Anzeichen des Klimawandels

Die Abbildung zeigt die Beobachtungen der Süßkirschenblüte in Geisenheim (1900-2000), die sich insbesondere in den letzten 30 Jahren (rote Trendlinie) verfrüht hat. Aber es gibt unzählige andere Beispiele für ähnliche Veränderungen. Aus Europa und Nordamerika wird überwiegend von Verfrühungen des Frühlings in letzten 4 bis 5 Jahrzehnten berichtet, die mit einer Temperaturerhöhung verbunden sind. So ist etwa die Eiablage oder der erster Gesang von Vögeln, die Rückkehr von Zugvögeln, das Erscheinen von Schmetterlingen, das Laichen von Amphibien sowie das Austreiben und das Blühen von Pflanzen immer früher beobachtet worden. Im Durchschnitt ergibt sich für die Blattentfaltung und die Blüte eine Verfrühung um 1,4 bis 3,1 Tage pro Dekade in Europa bzw. um 1,2 bis 2,0 Tage (im Einzelfall auch 3,8 Tage) pro Dekade in Nordamerika.

Trends für die Schneeglöckchenblüte in Deutschland (1961-2000). Die Veränderungen sind als Steigung linearer Ausgleichsgeraden (Regressionen) mindestens 30jähriger Reihen berechnet, negative Trends (rot) bedeuten eine Verfrühung, positive (blau) eine Verspätung, die Größe der Signatur gibt ein Maß für die Signifikanz an (klein nicht sign., mittel / groß sign. auf dem 5 bzw. 1 % Niveau)

Reaktion auf Lufttemperatur

Diese Vorverlegung des Frühjahrs ist eine enge Reaktion auf veränderte Temperaturbedingungen und damit wahrscheinlich eine ursächliche Folge der globalen Erwärmung. Man kann dies in Experimenten, anhand von Modellen der Pflanzenentwicklung im Frühjahr oder mit einfachen statistischen Zusammenhängen zeigen. Im allgemeinen sind Lufttemperaturen bis zu drei Monate vor dem Eintritt von Frühjahr- und Sommerphasen ausschlaggebend und erklären beispielsweise bis zu 90 Prozent der Variation der mittleren Eintrittstermine in Deutschland. Die Abbildung oben zeigt den engen Zusammenhang zwischen Temperatur und Frühjahrsphasen recht eindrucksvoll am Beispiel der Süßkirschenblüte in Geisenheim, die Abbildung unten für die Ankunft der Feldlerche in Estland.

Anzeichen auch in Deutschland

Daten aus dem phänologischen Beobachtungsnetz des Deutschen Wetterdienstes, die von interessierten Naturliebhabern kontinuierlich seit 1951 beobachtet wurden, zeigen ebenfalls deutliche Verschiebungen. So hat sich die Vegetationsperiode von Laubbäumen zwischen 1951 und 2000 um bis zu 2,3 Tage pro Dekade verlängert. Die ersten Phasen im Frühjahr – wie die Blüte von Schneeglöckchen (siehe Abbildung oben) oder Forsythie – verfrühen sich dabei mit bis zu 3,2 Tagen pro Dekade stärker als später eintretende Phasen wie beispielsweise der Austrieb von Bäumen im Mai oder die Blüte von Obstbäumen.

Die Abhängigkeit von der Lufttemperatur ist eng: Phasen des Frühlings verfrühen sich um 2.5 – 5.3 Tage pro °C Frühjahrstemperatur, Phasen im Sommer bis Vollherbst um 3.8 – 6.7 Tage pro °C Frühjahr- bzw. Sommertemperatur.

Uneinheitlicher Herbst

Die Ermittlung von Veränderungen im Herbst ist weitaus schwieriger, da weniger Daten zur Verfügung stehen, die phänologischen Ereignisse, wie Laubverfärbung und Laubfall, schlechter zu definieren und zu beobachten sind und letztlich weitaus mehr Umweltfaktoren, wie etwa zusätzlicher Wasser- oder Ozonstress, das Eintreten dieser Phasen steuern. Im Allgemeinen tendieren Herbstphasen eher zu späteren Eintrittsterminen. Diese Veränderungen variieren jedoch und sind weniger einheitlich ausgeprägt als im Frühjahr. In Europa hat sich über die letzten 30 Jahre der Zeitpunkt der Laubverfärbung im Durchschnitt um 0,3 bis 1,6 Tage pro Dekade verspätet. Insgesamt hat sich beispielsweise die Vegetationsperiode in Europa um ~ 11 Tage in den letzten 3 Jahrzehnten verlängert.

Auswirkungen

Die phänologischen Veränderungen können positive wie negative Folgen haben. So werden die Unterschiede in der Reaktion von Art zu Art die Struktur von Pflanzengemeinschaften verändern, wenn etwa Pflanzen ungleich von der verlängerten Wuchsperiode profitieren oder unterschiedlich durch Spätfröste im Frühjahr gefährdet sind.

Die verlängerte Vegetationsperiode könnte sich, ausreichende Wasser- und Nährstoffversorgung vorausgesetzt, auch positiv auf das Pflanzenwachstum auswirken. So ist sie, neben der “Düngung” durch höhere Stickstoff- und Kohlendioxidgehalte in der Atmosphäre, eine der möglichen Ursachen für die europaweit beobachtete Steigerung der jährlichen Zuwächse an Biomasse. Für Pollenallergiker bedeutet ein früheres Blühen von Pflanzen dagegen einen früheren Start und eine möglicherweise insgesamt verlängerte Leidenssaison. So können phänologische Änderungen vielfältige Auswirkungen in Ökosystemen haben, insbesondere wenn die Synchronität von Ereignissen, etwa bei Nahrungsketten oder Bestäubung gestört wird.

Verfasser der Seite

PD Dr. Annette Menzel (TUM)
PD Frank-M. Chmielewski (HUB)
Dr. Elisabeth Koch (ZAMG)
Dr. Rein Ahas (UT)
Dr. Ernst Dittmann (DWD)